Der erste Monat des Jahres ist im römischen Kalender nach Ianus benannt, dem Gott der Tore und Türen, der Ein- und Ausgänge, der über Anfang und Ende präsidiert. Mit seinen zwei Gesichtern stellt der Januskopf die Zwiespältigkeit der Persönlichkeit oder die Dualität der Dinge bildhaft dar. Dieses Phänomen können wir während des ganzen Jahres beobachten und zum Jahreswechsel ist es besonders gut sichtbar. Freude und Leid zeigen sich im gesamten Spektrum von Besinnlichkeit bis zur Besinnungslosigkeit.
Als Vermittler zwischen Menschen und Göttern könnte Ianus als frühester Mediator bezeichnet werden.[1] Ursprünglich dienten die beiden Gesichter seiner Gestalt, die in entgegengesetzte Richtungen schauen, dem Blick in die Vergangenheit und die Zukunft. Heute wird beispielsweise eine Politik als janusköpfig oder doppelgesichtig bezeichnet, um die negative Kehrseite bestimmter Entscheide bewusst zu machen.
Schauen wir auf unser eigenes Leben, erkennen wir unter Umständen selbst Situationen, in denen uns zwei Seiten derselben Medaille bewusst werden. Ob es um die Berufswahl, Beziehungspflege oder unser Konsumverhalten geht, bereitet uns innerer Zwiespalt oftmals Kopfzerbrechen. Bevor wir versuchen, auftretende Konflikte auf der Verstandesebene zu lösen, erinnert der Monat Januar und sein Namensgeber vielleicht daran, dass es noch andere Dimensionen gibt, die betrachtet werden können.
Vom deutschen Schriftsteller Thomas Mann wird das folgende Zitat überliefert: «Es ist schwer, es zugleich der Wahrheit und den Leuten recht zu machen.» Der von ihm treffend beschriebene Zwiespalt ist gerade in einer Mediation herausfordernd: Bleiben die wahren Bedürfnisse der Beteiligten verborgen, können Konflikte vermutlich nur oberflächlich befriedet werden. Die Wahrheit kann ihrerseits neue Konfliktherde entfachen. Hier ist es die Kunst des Mediators, das Verständnis für Vergangenes zu fördern und den Blick für die Zukunft zu öffnen, damit nachhaltig Frieden einkehren kann.
Die Akademie lädt auch im neuen Jahr ein, in die Welt der Sichtweisen einzutauchen. Das Angebot an Aus- und Weiterbildungen rund um die Mediation hat mehr als nur zwei Seiten. Was bleibt, ist denn auch keine Medaille, sondern der Zugang zu einem breiten Repertoire an Werkzeugen, wie Konflikte geklärt und gelöst werden können.
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[1] Aus 100 Sekunden Wissen vom 04.09.2007, Radio DRS 2, auf https://www.srf.ch → Audio & Podcasts