Der Herbst bringt auch in diesem Jahr düstere Tage. Neben bunten Blättern flattern täglich Nachrichten über eine Welt, die in Unordnung geraten ist, herum und herein. Dieser Bericht sucht im ganzen Trubel ein bisschen Jubel. Anlass dazu gibt uns ein Jubilar, der mit seinem Wirken auch auf die Entwicklung der Mediation wesentlichen Einfluss nahm.
Vor 90 Jahren waren wir in unseren Breitengraden oftmals unmittelbar vom Krieg oder von Kriegsangst betroffen. Während in Österreich ein Bürgerkrieg entbrannt war und die Nationalsozialisten in Deutschland ihre politische Macht festigten, wurde am 6. Oktober 1934 – rund 7’000 Kilometer entfernt in Canton, Ohio – Marshall B. Rosenberg geboren. Er gilt als Begründer der Gewaltfreien Kommunikation. Diese basiert auf der Erkenntnis, dass wir unsere Art, zu sprechen, vielleicht nicht als «gewalttätig» betrachten, dennoch führen unsere Worte oft zu Verletzung und Leid – bei uns selbst oder bei anderen.
Vor 40 Jahren öffnete das Center for Nonviolent Communication seine Tore und der 50-jährige Rosenberg setzte damit einen wichtigen Meilenstein, mit dem die Entwicklung alternativer Konfliktlösungsverfahren nachhaltig unterstützt wurde. Vielleicht hat diese Welle «aus dem Westen» tatsächlich eine neue Ära globaler Verständigung eingeläutet. Zumindest war die Euphorie in Europa mit dem Ausklingen der 80er-Jahre gross und eine Überwindung der Spaltung zwischen Ost und West schien in greifbarer Nähe.
Ihren Ursprung nahm diese Welle vor 155 Jahren im Osten, wo am 2. Oktober Mahatma Gandhi das Licht der Welt erblickte. Er war auch die Quelle für den Begriff der Gewaltfreiheit, auf der die Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg aufbaut. Im Mittelpunkt der Philosophie Gandhis steht das Prinzip «Ahimsa» (Gewaltlosigkeit). Gandhi betrachtete Gewaltlosigkeit nicht als passiven Widerstand, sondern als proaktive Kraft für Veränderungen. Er betonte, dass gewaltfreies Handeln, das auf Mitgefühl und Verständnis basiert, das Potenzial habe, die Herzen der Gegner zu berühren und eine dauerhafte Transformation herbeizuführen.
Die Kritik an diesem Ansatz bleibt bis heute nicht aus. Und sie ist vermutlich auch berechtigt. Denn Hand aufs Herz:
Gelingt es Dir, in der Person, die Dich verbal angreift, deren Schönheit zu erkennen?
Die Hürde erscheint uns oftmals unüberwindbar. Und doch ist es das, was Rosenberg als Weg zeigt:
«Die Schönheit in einem Menschen zu sehen ist dann am nötigsten, wenn er auf eine Weise kommuniziert, die es am schwierigsten macht, sie zu sehen.»
Zumindest ein Versuch kann es wert sein. Allein das Innehalten im Streit, wenn Du Dir die Frage innerlich stellst und Mitgefühl oder Verständnis suchst, vermag dessen Dynamik positiv zu beeinflussen. Wer sich vertiefen mag in diese Kunst der Kommunikation, findet bei der Akademie Sichtweisen verschiedene Angebote, die auf das Prinzip der Gewaltfreiheit aufbauen. Das verspricht Jubel, Trubel und Heiterkeit als besondere Zugabe.